Die Wittenberg-Connection (III)
Ein weiterer prägender Weggefährte von Martin Luther war Johannes Bugenhagen (1485 – 1558). Er kam 1521 nach Wittenberg, nachdem er ebenso wie Philipp Melanchthon über die Schriften Martin Luthers Zugang zu den reformatorischen Ideen fand. Schon bald gewann er das Vertrauen des Reformators, der sich dafür einsetzte, dass Bugenhagen zum Pastor der Stadtkirche St. Marien ernannt wurde. Ihn wählte er auch als seinen Beichtvater aus und es war auch Bugenhagen der Martin Luther mit Katharina von Bora vermählte und deren sechs Kinder taufte. Bugenhagen blieb bis zu seinem Lebensende Stadtpastor an der Wittenberger Stadtkirche. Ein ihm angetragenes Amt als Bischof schlug er mit den Worten aus: "Den disses Pfarramt, ob wol de Nhame geringer ist, so ists doch ein recht wahrhaftig bischoflich Ampt, und grosser in disser Zeit, den aner Bistumb...". Luther selbst bezeichnet ihn aber gerne als „Bischof der Reformation“.
Sicherlich trugen zur Bindung an die Pfarramtsstelle auch die zahlreichen Diskurse bei, die er in der Exegese der Heiligen Schrift mit Martin Luther pflegte. Denn Bugenhagen empfand sich nicht nur als Seelsorger seiner Pfarrei. Er nahm auch wesentlichen Einfluss auf die Entfaltung der Reformation. Gemeinsam mit Philipp Melanchthon war ihm die Umsetzung der reformatorischen Erkenntnisse ins Alltagsleben der Glaubenden zentrales Anliegen. Hierzu verfasste er seine wohl wichtigste Schrift „Von dem Christlichen glauben vnd rechten guten wercken“, die 1526 erschien.
Sein Rat war in der jungen Kirche in vielen Landesteilen gefragt. Von 1528 bis 1529 hielt er sich in Braunschweig, Hamburg und Ostfriesland auf. Von 1530 bis 1532 trug er zur Festigung des reformatorischen Glaubens in der Stadt Lübeck bei. Dort übertrug er auch die Bibel ins Niederdeutsche, die als „Bugenhagen Bibel“ bekannt wurde. Im Sommer 1537 bat ihn der dänische König Christian III. nach Dänemark zu kommen. Hier blieb er zwei Jahre, führte die Reformation ein, krönte das Königspaar und ordnete die Verhältnisse an der Universität Kopenhagen. Die von ihm verfasste Kirchenordnung bildet noch heute die Grundlage der dänischen Verfassung. Trotz der vielen Verpflichtungen behielt Bugenhagen seinen Hauptwohnsitz in Wittenberg bei, wo er mehr als 34 Jahre als Pfarrer an der Stadtkirche wirkte.
Zeit seines Lebens war Bugenhagen als Korrespondenzpartner, Ratgeber und Gutachter begehrt. Seine Kirchenordnungen waren insbesondere für Norddeutschland prägend. So schuf er Kirchenordnungen für Braunschweig (1528), Hamburg (1529), Lübeck (1531), Schleswig-Holstein (1542), Braunschweig-Wolfenbüttel (1543), Hildesheim (1544). Diese Ordnungen regulierten unter anderem die Gottesdienstform, das Bildungswesen und das soziale Engagement in den Gemeinden. Sie machten Bugenhagen zum „Reformator des Nordens“. Sein reformatorisches Engagement für das Herzogtum Pommern Wolgast brachte ihm zusätzlich den Titel „Reformator Pommerns“ ein. Martin Luther nannte Bugenhagen in Anspielung auf sein dortiges Wirken „Doctor Pommeranus“.
Als persönlicher Seelsorger und Beichtvater hat Johannes Bugenhagen sicherlich tiefen Einblick in das Seelenleben von Martin Luther bekommen. Obwohl Luther der Religion mit Rationalität begegnet ist, die Gottesdienstrituale und die Heiligenmagie durch eine Kultur des Wortes ersetzt hat, blieb er gefangen in der Interpretation der Sündenschuld des Menschen, die er zu allererst auf sich bezog und die ihn zuweilen in depressive Zustände versetzte. „Mein Sünd' mich quälte Tag und Nacht, darin ich war geboren. Ich fiel auch immer tiefer drein, es war kein Guts am Leben mein, die Sünd' hat mich besessen", so gab Martin Luther seine Gefühle in der 2. Strophe seines Liedes „Nun freut euch liebe Christen g`mein“ wider. Diese belastende Gefühlswelt hat er vermutlich mit seinem Beichtvater geteilt und in theologischer Weise besprochen.
In seiner Pfarrei war Bugenhagen als Prediger mit langem Atem bekannt, man kann auch sagen berüchtigt. Aus Luthers Tischreden ist die Begebenheit überliefert, nach der eine Hausfrau ihren vom Gottesdienst heimkehrenden Ehemann eine noch nicht gargekochte Speise mit der Entschuldigung vorsetzte: "Oh, ich meinte, es würde Pommer heute predigen." Auch Martin Luther übte das eine und andere Mal Kritik an seinen ausschweifenden, nicht enden wollenden Predigten. Mit 72 Jahren legte Johannes Bugenhagen sein Pfarramt schließlich nieder. Er starb am 20. April 1558, zwölf Jahre nach Luther.
Bugenhagen gehört neben Martin Luther und Philipp Melanchthon zu den bedeutendsten Persönlichkeiten der Reformation. Man nennt ihn deshalb auch "den dritten Reformator".Hans Götz, 02.02.2017