Kronacher Stadtvögte und die Hexenverfolgung
Wie aus den bisherigen Artikeln zur Hexenverfolgung zu erfahren war, oblag die strafrechtliche Behandlung der als Hexen angeklagten Personen einem weltlichen Gericht. Infrage kamen die vor Ort befugten Gerichte. Die Amtshauptmannschaft Kronach besaß im 16. und 17. Jahrhundert die sogenannte Hohe und Niedere Gerichtsbarkeit. Während die Hohe Gerichtsbarkeit für Vergehen zuständig war, die Strafen an „Hals und Hand“ nach sich zogen, waren es bei der Niederen Gerichtsbarkeit, die sich in der Regel mit Streitigkeiten in Zivilangelegenheiten befasste, die Strafen an „Haut und Haar“.
Das Hohe Gericht, auch Zehnt-,Hals-, Blut-, Malefiz- oder fränkisch Fraischgericht genannt, befasste sich mit den so genannten vier hohen Rügen: Mord, Raub, Notzucht und Brandstiftung. Auch der Tatbestand der Hexerei wurde unter die vier hohen Rügen subsumiert, da eine Überführung der Beklagten eine Strafe an „Hals...“, das hieß in den meisten Fällen Hinrichtung durch Schwert, Strick und letztendlich Feuer, nach sich zog.
In Kronach tagte in der Regel das Hochgericht dreimal im Jahr. Allerdings war es vor Ort in Angelegenheiten der Hexerei nur für die Voruntersuchungen zuständig. Sie beschränkten sich auf die gütliche Befragung der Angeklagten. Die peinliche Befragung, die nicht ohne Folter der Delinquenten vor sich ging, wurde nur unter Aufsicht eines von Bamberg bestellten Hexenkommissars und unter Zutun eines Scharfrichters durchgeführt.
Kronach besaß seit 1471 eine Halsgerichtsordnung, die aber nicht mehr als Verfahrensregel zur Durchführung eines Prozesse im mittelalterlichen Sinne enthielt. 1507 trat im Hochstift die Bambergische Halsgerichtsordnung (Constitutio Criminalis Bambergenis) in Kraft. Eine für damalige Zeiten außerordentlich fortschrittliche Strafprozessordnung, die auch wesentlichen Einfluss auf die 1532 von Karl V. erlassene Constitutio Criminalis Carolina nahm. In beiden ist die Hexerei als Straftatbestand enthalten. Im Artikel 131 der Bambergensis wird der im strafrechtlichen Sinne als „Zauberey“ bezeichnete Straftatbestand wie folgt behandelt: „Item So yemant den lewten Zauberey schaden oder nachteyl zufüget, sol man straffen vom leben zum tode, und man sol solche Straf gleych der ketzerey mit dem fewer thun.“ Gemeint ist hier der im Artikel beschriebene Schadenszauber, der dann vorlag, wenn durch ihm Leib, Leben oder Eigentum eines Betroffenen geschädigt wurde.
Die Einführung der so genannten Bambergensis hatte nicht nur eine inhaltliche Reform des Strafprozesswesens zur Folge. Sie veränderte auch die personale Besetzung der Gerichte. Von nun an waren neben dem Amtmann auch immer mehr die Stadtvögte in die hohe Gerichtsbarkeit eingebunden. Sie fungierten als Richter denen, wie nach altem Recht, weiterhin Schöffen zugeordnet waren, die aber jetzt als Beisitzer und nicht mehr als Urteiler auftraten. Sie kamen zumeist aus dem Umkreis der Ratsherren. Ergänzt wurde das Gremium durch einen Gerichtsschreiber, in der Regel der Stadtschreiber, und einem Gerichtsdiener, der für die Gefangenenvorführung zuständig war.
Wie verhielten sich nun die von Amts wegen teilnehmenden Personen aus Kronach bei den Hexenprozessen? In verschiedenen Quellen wird über die Beteiligung der genannten Amtsinhaber berichtet. In der Zeit der intensiven Hexenverfolgung , die ja in drei Wellen das Hochstift Bamberg heimsuchte (1612 bis 1613, 1616 bis 1619 und 1626 bis 1630), wirkten lediglich drei Stadtvögte mit: Lorentz Döhlers (auch Döler[s], Deler;1611 – 1614), Hannß Michel Breu (auch Preu, Prey, Preün;1614 – 1618) und Friedrich Fleischmann (1618 bis 1633).
Letzteren schildert Willi Schreiber in seinem Abriss zum Hexenwesen im Frankenwald als besonders willfährigen Erfüllungsgehilfen der Bamberger Obrigkeit. Ihn lässt er die Hexe Sybilla Schnaid aus Steinwiesen im Jahre 1612 verhaften und schildert die große Freude, die Stadtvogt Fleischmann bei der Verhaftung seiner ersten Hexe gehabt haben soll. Der Fall Sybilla Schnaid (auch Sibilla Schneiden) wird auch in anderen Quellen genannt (u.a. bei Birke Grießhammer und Britta Gehm). Allerdings ist eine Beteiligung von Friedrich Fleischmann auszuschließen, da er erst 1618 zum Stadtvogt ernannt wurde. Hier hat offenbar Willi Schreibers erzählerischer Übermut über die geschichtliche Wahrhaftigkeit gesiegt. Bei der Schilderung späterer Fälle, insbesondere zur dritten Hexenwelle, also während der Amtszeit Fleischmanns, mag die Einschätzung Willi Schreibers zutreffen, wenn er den Stadtvogt einen „Hexenriecher“ nennt.
Britta Gehm bleibt hier sachlicher und stellt in ihrem Buch fest, dass der Eifer des Stadtvogtes, des Amtmannes und der Ratsherren im Jahr 1613, zum Ende der ersten Verfolgungswelle, erheblich nachließ. Wenn dem so war, muss der Eifer zu Beginn der ersten Hexenverfolgungswelle, die sich ja hauptsächlich in Kronach abspielte, doch vorhanden gewesen sein. Er verringerte sich offenbar erst dann, als die Kronacher Gefängnisse überfüllt waren und die Unterstützung aus Bamberg, vermutlich von bischöflicher Seite, nachließ. Die letzten Prozesse fanden in den Monaten Juli/August 1613 statt.
Waren nun die für das Gericht bestellten städtischen Amtspersonen auch an den Folterungen beteiligt? Von der örtlichen Gerichtsbarkeit wurden, wie bereits festgestellt, in Hexenangelegenheiten die Voruntersuchungen und die gütliche Befragung durchgeführt. Für die peinlichen Befragungen, also Androhung bzw. Anwendung der Folter, wurde in der Regel Hilfe aus Bamberg angefordert. Diese kam dann in Person eines so genannten Hexenkommissars und eines Scharfrichters. Hier kann davon ausgegangen werden, dass „nur“ die Anwesenheit des Gerichtspersonals vonnöten war. Der Gerichtsdiener hatte aber auch dem Scharfrichter „zur Hand“ zu gehen. Die Urteile wurden zwar vor Ort gefällt, mussten aber vom weltlichen Rat in Bamberg bzw. der Malefizkommission bestätigt und vom Landesherrn ratifiziert werden. Von den in den Jahren 1612 bis 1613 beschuldigten 15 Personen (12 Frauen und 3 Männer), die nach Britta Gehm in Kronach prozessual behandelt wurden, sind nachweisbar fünf hingerichtet und fünf entlassen worden, eine verstarb in Haft. Von vier Personen ist der Ausgang unbekannt.
Die von Amts wegen in die Hexenprozesse eingebundenen Personen erfüllten offenbar pflichtbewusst ihren „gesetzlichen“ Auftrag und verhielten sich systemkonform. Was blieb ihnen als abhängige Personen, die ja noch einen Eid auf die Obrigkeit geschworen hatten, auch anderes übrig. Moralische Bedenken mussten sie nicht haben, da solche von der Herrschaft, vor allem der geistlichen, in keinster Weise angemahnt wurden. Der Zeitgeist des 16. und 17. Jahrhunderts, in den niederen ungebildeten sozialen Schichten sicherlich noch vom Aberglauben des Mittelalters geprägt, kann nicht an den ethisch-moralischen Vorstellungen heutiger Zeit gemessen werden. Aus dieser Sicht eine Verurteilung vorzunehmen, ist sicherlich falsch.
Trotz ausgeprägter moralischer Wertmaßstäbe passiert es aber auch in der heutigen Zeit, dass wir im Verhalten gegenüber „Außenseitern“ eben diese Wertmaßstäbe zu leichtfertig aus so genannten systemrelevanten Gründen, die oftmals wirtschaftlich-politischer Natur sind, zu oft hintenanstellen. Das sollte uns die geschichtliche Erfahrung vermeiden helfen!
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Quellen:
- Britta Gehm: Die Hexenverfolgung im Hochstift Bamberg und das Eingreifen des Reichshofrates zu ihrer Beendigung, Hildesheim u.a., 2000
- Willi Schreiber: Das Hexenwesen im Frankenwald 1612 – 1631, o.O., o. J.
- Haus der Bayerischen Geschichte u. Stadt Kronach (Hrsg.): Kronach – Stadt des Bischofs, Kronach, 1994
- Stadt Bamberg (Hrsg.): Hexenprozesse und Hexenverfolgung im Hochstift Bamberg, Bamberg, 2013
- Merzbacher Friedrich: Die Hexenprozesse in Franken, München 1970
- Fehn Georg: Chronik von Kronach, Band 1 u. 5, Kronach, 1971
- Grießhammer Birke: Angeklagt – gemartert – verbrannt: Die Hexenverfolgung in Franken, Erfurt, 2013
- Bilder aus: https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Bambergische_Halsgerichtsordnung, abgerufen am 01.05.2014
Hans Götz, 03.05.2014