Ein Konzept für den Hexenturm
Nicht nur das Hochstift Bamberg, auch Kronach hat eine „hexische“ Vergangenheit. Bis vor Kurzem spielte dies im Bewusstsein der Stadt und seiner Bürger keine oder lediglich eine verdrängte Rolle. Nun hat man in diesem Jahr begonnen, sich auch dieses nicht ganz einfachen Themas anzunehmen. Die Stadt Bamberg hat 2012 mit Themenwochen und einer Ausstellung in der Staatsbibliothek begonnen, die geschichtlichen Hintergründe der Hexenverfolgung im 16. und 17. Jahrhundert im Hochstift Bamberg aufzuarbeiten. Beides stieß auf großes öffentliches Interesse und führte auch zu kontroversen Diskussionen.
Kronach folgte auf private Initiative dieser thematischen Vorgabe, besann sich seines Hexenturmes und übernahm die Bamberger Erkenntnisse, die nun auf fünf Schautafeln im oberen Stockwerk des Turmes Teil einer städtischen Führung zu „Von Hexen und Heldinnen“ sind. Allerdings beschäftigt sich nur eine Schautafel mit dem Schicksal einer Kronacher Bürgerin während der Hexenverfolgung. Zu wenig, wie ich und wie zwischenzeitlich offenbar auch die Verantwortlichen im Tourismusbüro glauben. Frau Dr. Löw, die Leiterin des Tourismus- und Veranstaltungsbüros, möchte deshalb das Ganze zu einem Dokumentationszentrum erweitern. Daher auch der Antrag an den Verein „1000 Jahre Kronach e.V.“, für eine notwendige Lichtinstallation einen Zuschuss zu gewähren. Die Vorstandsmitglieder stellten den Antrag zunächst zurück und wollen sich im September im „Dokumentationszentrum Zeiler Hexenturm“ über eine für Kronach passende Konzeption informieren.
Wie könnte die nun aussehen? Ein Blick auf die Webseite des Zeiler Hexenturms (www.zeiler-hexenturm.de) lässt einen Ansatz erkennen, der auch Kronach als Leitidee dienen sollte. Ausgehend von der Geschichte des Zeiler Hexenturmes, der ja als zentrale Richtstätte für die abgeurteilten Hexen im Hochstift Bamberg diente, wird im pädagogischen Konzept ganz klar die Zielrichtung, die speziell auf Schulklassen der verschiedenen Jahrgänge abzielt, vorgegeben: „Im Mittelpunkt der Aktionen steht neben der lokalen Spurensuche die Auseinandersetzung mit dem Thema Ausgrenzung und ihren Mechanismen, die heute noch vergleichbar ablaufen. Wie funktioniert Ausgrenzung, welche Folgen hat sie und wie kann man ihr begegnen?“
Das muss auch der Leitfaden für ein Kronacher Konzept sein. Grundlage sollte die Aufarbeitung der lokalen Einzelschicksale sein. In der Amtshauptmannschaft Kronach wurden von 1612 bis 1631 38 Personen (Frauen, Männer und Kinder) als Hexen verfolgt und abgeurteilt. Für jede dieser Personen gibt es eine mehr oder weniger gute Dokumentation, aus der sich der Anlass ihrer Verhaftung und Aburteilung lesen lässt. Und dies ist genau der Punkt, wo historische Begebenheiten Erkenntnisse liefern, die auch in der Gegenwart ähnlich vorzufinden sind. Es geht darum, die Mechanismen der Ausgrenzung aufzudecken, die heute nicht viel anders ablaufen als vor 400 Jahren. Der (pädagogische) Auftrag eines Dokumentationszentrums muss hier lauten: Ausgrenzung aufdecken, erklären und Gegenstrategien aufzeigen.
Wenn in einem solchen Geiste eine an und für sich unangenehme historische Tatsache aufgearbeitet wird, dann begibt sich eine Gemeinschaft auf den Weg, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen. Diese Chance sollte man zumindest anbieten.
Hans Götz, 16.08.2014