Luther und die Hexenf

„Es ist ein überaus gerechtes Gesetz, dass die Zauberinnen getötet werden, denn sie richten viel Schaden an, …“ So predigte Martin Luther im März 1526 vor der Wittenberger Gemeinde und bezog damit klar Stellung gegenüber den Personen, die sich als Hexen verdächtig machen sollten. 1540 wurden in Wittenberg vier Personen der Hexerei beschuldigt und abgeurteilt. Sie fanden den Feuertod. Insgesamt waren bis zum Jahr 1674 in der Lutherstadt 21 Personen von der Hexenverfolgung betroffen. In der Amtshauptmannschaft Kronach waren es 38 Personen, dies aber in einem weitaus kürzeren Zeitraum, von 1612 bis 1629.

Abbildung 2: Wittenberg Stadtansicht 1536/37Abbildung: Wittenberg Stadtansicht 1536/37

Lucas Cranach d. Ä. kam 1505 als Hofmaler von Kurfürst Friedrich dem Weisen nach Wittenberg. Zunächst an dessen Hof, ab 1510 als niedergelassener Wittenberger Bürger. 45 Jahre blieb er mit kurzen Unterbrechungen in der Stadt, in der auch Martin Luther die meiste Zeit seines Lebens verbrachte. Die Gunst des Kurfürsten, sein malerisches aber auch sein unternehmerisches Können verhalfen ihm schnell zu Reichtum und hohen Ansehen. Schnell vollzog sich auch sein Aufstieg in der städtisch-ständischen Hierarchie.1519 begann seine Karriere als Kommunalpolitiker. Bis 1544 gehörte er zwölfmal dem Wittenberger Rat an. 1519, 1522, 1531 und 1534 hatte er zusätzlich die Stelle eines Kämmerers inne und in den Jahren 1537, 1540 und 1543 sogar die Position des Bürgermeisters. Martin Luther kam drei Jahre später als Lucas Cranach nach Wittenberg. Er wechselte 1508 von der Erfurter an die neugegründete Wittenberger Universität (1502), um dort sein Theologiestudium zu beenden. Nach einer Romreise kehrte er 1511 nach Wittenberg zurück, erwarb seinen Doktortitel und wurde 1512 auf den Lehrstuhl der „Lectura in Biblia“ (Bibelauslegung) berufen, den er bis an sein Lebensende behielt. 1514 übernimmt er das Amt des Provinzialvikars und wird auch Prediger in der Stadtkirche zu Wittenberg.

Abbildung 2: Wittenberg Stadtansicht 1536/37Abbildung: Wittenberg Stadtansicht 1536/37

Wann wird Lucas Cranach wohl den ersten Kontakt zu Martin Luther geknüpft haben? Ein Datum lässt sich hier nicht festmachen. Der „legendären Männerfreundschaft“ lässt sich nur aufgrund von Indizien nähern. 1520 entstand das erste Bildnis Luthers von Cranachs Hand. Dies könnte man noch als geschäftliche Verbindung interpretieren. Doch im selben Jahr fungierte Luther auch als Taufpate Annas, dem jüngsten Kind von Cranach. Die Vertrauensstellung eines „Gevatters“ lässt daher schon eine länger währende persönliche Beziehung vermuten. Wenn man annimmt, dass Lucas Cranach und seine Familie ihren sonntäglichen Pflichten des Gottesdienstbesuches nachkamen, dann wird der Prediger Martin Luther auch Lucas Cranach bekannt gewesen sein. Spätestens 1517 mit der Verkündung der 95 Thesen und den sich daraus ergebenden Folgen wird Martin Luther auch das unternehmerische Interesse Cranachs geweckt haben. Ob Cranach da bereits zu den „Freunden“ gehörte, die vorab vom Inhalt der Thesen informiert waren? Sicherlich waren die Thesen auch Diskussionsgegenstand in den „gesellschaftlichen Kreisen“ Wittenbergs. Und da Lucas Cranach diesbezüglich gut vernetzt war, sollte spätestens hier eine Kontaktaufnahme mit Martin Luther stattgefunden haben.

Als Martin Luther 1526 seine Hexenpredigten hielt, war vermutlich auch Lucas Cranach die Einstellung seines Freundes zu diesem Thema bekannt. Denn zu diesem Zeitpunkt war sowohl das persönliche wie das reformatorische Engagement von Lucas Cranach bereits weit fortgeschritten: 1525 vermittelte der Maler die skandalträchtige Heirat des Reformators und stellte sich selbst als Trauzeuge zur Verfügung. Mit dem Wormser Edikt von 1521 waren auch die geschäftlichen Beziehungen mit Martin Luther gewachsen. Die Wittenberger Professoren ließen überwiegend ihre Werke in Leipzig drucken. Aufgrund der Reichsacht konnten aber die reformatorischen Werke dort nicht mehr aufgelegt werden. Luthers Drucker siedelte daher nach Wittenberg über und arbeitete im Hause von Lucas Cranach, der schon länger mit dem lukrativen Geschäft des Verlagswesens vertraut war.

Lucas Cranach d. J., Hexenverfolgung in Witteberg, 1540Lucas Cranach d. J., Hexenverfolgung in Witteberg, 1540

Hat nun Lucas Cranach die Einstellung Martin Luthers zum Hexen(un)wesen geteilt? Wenn dies der Fall gewesen wäre und Cranach, ähnlich wie Luther, von einer tiefen Abneigung gegenüber den Hexen innerlich beherrscht worden wäre, hätte dies der Künstler bestimmt auch bildhaft zum Ausdruck gebracht. Für Cranach d. Ä., der als Begründer der reformatorischen Bildpolemik gilt, wäre es zweifellos ein leichtes gewesen, gerade diese Thematik in die Bildsprache entsprechend umzusetzen. Während von seinem Zeitgenossen und Künstlerkollegen Albrecht Dürer mehrere Hexendarstellungen existieren, ist aus der Werkstatt Cranachs nur ein Holzschnitt vom Hexenprozess und der Verbrennung der Wittenberger Bürgerin Prista Frühbottin aus dem Jahre 1540 bekannt. Der stammt allerdings von Lucas Cranach d. J. Wahrscheinlich gab es bis zu diesem Zeitpunkt in Wittenberg überhaupt kein „Hexenproblem“ und die Predigten Martin Luthers konnten aus diesem Grunde im Jahre 1526 daher keinen Widerhall in der Bevölkerung finden. Warum sollten sie auch in der Zeit auf fruchtbaren Boden fallen? Wittenberg war mit Beginn der Reformation eine prosperierende Stadt, sowohl in geistiger wie in wirtschaftlicher Hinsicht. Die Anhänger Luthers strömten in die Residenzstadt und erzeugten dort eine vielschichtige Nachfrage, die es vornehmlich zu befriedigen galt.

Erst 1540, als ein extremer Hitzesommer das Vieh auf den Weiden sterben ließ, suchte man für das rätselhafte Naturphänomen eine Erklärung und fand sie im Schadenszauber verdächtiger Frauen und Männer aus den Randgruppen der Gesellschaft. Lucas Cranach d. Ä. war in diesem Jahr Bürgermeister in Wittenberg und somit auch oberster Gerichtsherr. Er wird wohl diesen Hexenprozess hautnah erlebt haben, eine unmittelbare Beteiligung ist aber nicht erkennbar. Als Vorsitzender Richter wird nicht Lucas Cranach d. Ä. sondern Stadtrichter Ambrosius Reuther genannt. Dass Lucas Cranach aber auch an Todesurteilen beteiligt war, ist durch den Fall des Wittenberger Bürgers Paul Groß dokumentiert, den er wegen Mordes mit dem Schwert hinrichten ließ.

Von Lucas Cranach d. J: ist bekannt, dass er die die Verbrennung der Prista Frühbottin und ihrer Mitverurteilten aus Abschreckungsgründen ausdrücklich begrüßt hat. So steht es als Fußnote unter dem Einblattdruck seines Holzschnittes: „Dieweil der selbigen schedlichen Rotten noch viel vnd mehr im Land / als ettliche von Bettlern/ Schinern / Henckersknechten / auch Hirten / vmblauffen / zu abschew …“.Es werden diesbezüglich vermutlich auch Diskussionen im Hause Cranach stattgefunden haben. Ob die Meinung des Sohnes genauso vom Vater vertreten wurde, soll diesem nicht unterstellt werden. Eine solche Einstellung würde aber durchaus dem damaligen Zeitgeist entsprochen haben, denn der 1487 erschienene „Hexenhammer“ genoss im 16. Jahrhundert außerordentliche Publizität, wurde er doch bis zum Jahre 1520 in 13 Auflagen gedruckt! Dieses Werk dürfte weder Martin Luther noch Lucas Cranach unbekannt geblieben sein.

Lucas Cranach d. Ä.: Werwolf, Holzschnitt 1512Lucas Cranach d. Ä.: Werwolf, Holzschnitt 1512

Was ist nun die Quintessenz von Lucas Cranach und den Hexen? Ein konkreter Hinweis über eine aktive Beteiligung des Künstlers an der Hexenverfolgung ist offenbar nicht nachweisbar. Auch findet sich für die künstlerische oder auch propagandistische Aufarbeitung kein Beleg. Von Lucas Cranach d. Ä. ist lediglich ein Holzschnitt bekannt, der sich im weiteren Sinne mit dem Hexenwesen beschäftigt. Es ist die Darstellung eines Werwolfes, datiert auf das Jahr 1512. Die mythologische Vorstellung, dass ein Mann sich in einen Wolf verwandeln könnte, war auch noch in der Renaissance weit verbreitet. Wie beim Hexenwahn reichten auch hier die geringsten Beschuldigungen aus, um eine verdächtige Person auf den Scheiterhaufen zu bringen. Diese, der Hexenthematik nahe bildliche Darstellung, reicht aber wohl kaum aus, um Lucas Cranach in dieser Sache als Gleichgesinnten Martin Luthers zu bezeichnen. Die Rolle Lucas Cranachs d. Ä. in seiner Tätigkeit als Bürgermeister und somit auch sein Bezug zu den Hexenprozessen bedarf allerdings noch näherer Untersuchung.

Hans Götz, 24.05.2014

Quellen

http://de.wikipedia.org/wiki/Martin_Luther vom 20.05.2014
http://www.luther.de/leben/anschlag/ am 20.05.2014
http://de.wikipedia.org/wiki/Prista_Fr%C3%BChbottin am 22.05.14
http://de.wikipedia.org/wiki/Jahrhundertsommer am 22.05.14
http://www.anton-praetorius.de/downloads/namenslisten/Namen%20der%20Opfer%20der% 20Hexenprozesse%20Wittenberg.pdf am 22.05.2014
http://www.hs-augsburg.de/medium/download/fkaw/allgemein/praesentation_hexenwahn.pdf am 23.05.14
http://www.google.de/imgres?imgurl=http%3A%2F%2Fdas-hexenbad.beepworld.de%2Ffiles%2FINFO-Hexenverfolgung%2Fwerwolf.jpg&imgrefurl=http%3A%2F%2Fdas-hexenbad.beepworld.de%2Finfo-werwoelfe.htm&h=258&w=200&tbnid=Rcr9PBI1OYOSQM%3A&zoom=1&docid=RQrrfp8nFCwkfM&ei=PqB9U4-qC-3Z4QSpjID4CQ&tbm=isch&client=firefox-a&iact=rc&uact=3&dur=1918&page=1&start=0&ndsp=34&ved=0CLgBEK0DMB4 am 22.05.14
Berthold Hinz, Lucas Cranach d.Ä. und seine Bildermanufaktur, München, 1994
Monika und Dietrich Lücke, Lucas Cranach in Wittenberg in: Haus der Bayerischen Geschichte, Lucas Cranach – Ein Malerunternehmer aus Franken, Kronach, 1994
Diethard Herles, Cranach und der Holzschnitt, München 1994
Heinrich Kühne, Lucas Cranach d. Ä. in Wittenberg, o.O., 1995